| 
Leiharbeit in der Pflege wird kontrovers diskutiert. Die Pflegekammer NRW erörtert die Hintergründe, klärt über aktuelle Herausforderungen auf und fordert ein besseres Zusammenspiel von Leiharbeit und Festanstellung.

Düsseldorf, 23. Juni 2023 – Immer mehr Pflegefachpersonen zieht es in die Leiharbeit*. Denn die Konditionen sind in der Pflege sehr attraktiv. Ein höheres Gehalt, ein sicherer Dienstplan sowie eine flexible Arbeitgeberwahl und Arbeitsplatzgestaltung sind die wesentlichen Gründe für die Entscheidung, in der Leiharbeit tätig zu sein. Als Folge werden unter anderem von den Arbeitgebern hohe Personalkosten, Qualitätseinbußen, Belastungen des Stammpersonals und fehlende pflegerische Versorgungskontinuität beklagt. Die Pflegebranche und die Politik stehen unter Druck. Aber führt eine strikte Regulierung bis zum faktischen Verbot von Leiharbeit  wirklich zu einer Verbesserung der Versorgung? Die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen bezweifelt dies. Beim „Streitthema Leiharbeit” ist Fingerspitzengefühl und eine umfassende Expertise gefragt. „Leiharbeit ist keine Krankheit, sondern Ausdruck eines krankhaften Systems”, sagt Carsten Hermes, Pflegewissenschaftler, Praxisanleiter und Dozent für Fachkrankenpflege. Als Vorstandsmitglied der Pflegekammer NRW hat er mit einer Expertengruppe aus Vertretern aller Fraktionen der Kammerversammlung eine Stellungnahme zur Leiharbeit erarbeitet, die in der gestrigen (22. Juni) Kammerversammlungssitzung einstimmig verabschiedet wurde.

Leiharbeit dient ursprünglich dazu, temporäre Personalengpässe zu überbrücken, Projektspitzen abzudecken oder spezielle Fachkenntnisse kurzfristig zu nutzen. Aus Sicht der Pflegekammer NRW kann Leiharbeit den objektiv vorliegenden Fachkräftemangel in der Tat temporär reduzieren. Die Qualität der erbrachten Arbeit hängt maßgeblich von der individuellen Qualifikation ab. Neben negativen Beispielen gibt es auch Situationen, in denen Leiharbeitnehmende zur Qualitätsverbesserung beitragen können. „Die in der Öffentlichkeit immer wieder genannte geringere Pflegequalität durch Leiharbeitspersonen ist eine pauschale Unterstellung und in aktuellen Studien nicht belegbar”, so Hermes.

Um schlussendlich die pflegerische Versorgung insgesamt zu verbessern und sicherzustellen ist ein Umdenken erforderlich. Hier gibt es aber weder einfache noch schnelle Lösungen. So ist aus Sicht der Pflegekammer NRW ein langfristiger Planungshorizont mit klaren und individuellen Karrierewegen und Entwicklungsmöglichkeiten in den Einrichtungen entscheidend, um eine Bindung der Auszubildenden und Festangestellten zu fördern sowie sicherzustellen. Ansonsten wird sich das Feld der Leiharbeit wegen der sich immer weiter zuspitzenden Personalnot im Bereich der beruflichen Pflege massiv verschärfen.

Pflegekammer NRW stellt Forderungen an die Unternehmen und die Politik

Die Pflegekammer NRW fordert von den Unternehmen und der Politik die Umsetzung von konkreten Lösungsansätzen beim Thema Leiharbeit, um die Personalsituation und den Fachkräftemangel in der Pflege nachhaltig zu entschärfen. So soll eine Bestandsaufnahme über den Einsatz von beruflich pflegenden Leiharbeitenden, getrennt nach den jeweiligen Settings, Klarheit schaffen. Auch sieht die Kammer die Entwicklung eines pflegewissenschaftlich fundierten Personalbemessungsinstruments als unabdingbar an. Eine solche Bemessungsgrundlage müsse umgehend erarbeitet und eingesetzt werden. Aus Sicht der Pflegekammer liegt die Festlegung eines kritischen Werts für den Einsatz von Leiharbeitenden in der Verantwortung der einzelnen Einrichtungen. Ebenfalls fordert die Kammer, in den Unternehmen alternative Ausfallsysteme an allen Wochentagen und in allen Schichten zu etablieren, um auch kurzfristig auf Personalausfälle reagieren zu können. Unternehmen und Einrichtungen des Gesundheitsbereichs sollen zwar durchaus wirtschaftlich denken können, jedoch nicht mehr lediglich gewinnorientiert. Darüber hinaus fordert die Kammer die Leiharbeitsunternehmen auf, kein aggressives Abwerben mittels hoher Prämien zu betreiben.

Leiharbeitnehmende sollten, bevor sie in einem pflegerischen Fachbereich eingesetzt werden, eine für den Bereich entsprechende Expertise für den geplanten Einsatzbereich nachweisen. Für die Leiharbeit müssen Mindeststandards gelten und eine Qualitätssicherung gewährleistet werden. So fordert die Kammer, dass sich die leiharbeitgebenden Unternehmen und die pflegerischen Einrichtungen auf Zulassungsverfahren für Vermittlungsagenturen verständigen. Auch fordert die Kammer von den Unternehmen den Nachweis einer strukturierten Einarbeitung der Leiharbeitenden in die zu verwendenen Systeme und Arbeitsabläufe vor Ort, um eine qualitativ hochwertige Pflege sicherzustellen. Besonders wichtig  sei es ebenso, dass die Einrichtungen den festangestellten Pflegefachpersonen attraktive und verlässliche Rahmenbedingungen bieten. Dazu gehören unter anderem wertschätzendes Verhalten, die verbindliche Einhaltung von Absprachen zur Dienstplanung, Fort- und Weiterbildungen, attraktive Bezahlung sowie die Einhaltung von Personaluntergrenzen.

Zum Postitionspapier ↗
Zur kompletten Stellungnahme ↗

Pressemitteilung als PDF-Datei

* In der Stellungnahme wird der Begriff Leiharbeit für alle Formen der Leih- und Zeitarbeit im Sinne einer Arbeitnehmerüberlassung verwendet.

Zurück zur Übersicht
Jetzt informieren und

Anmelden

Die Zukunft der Pflege liegt in unseren Händen – Eine Verantwortung mit vielen Vorteilen. Die Anmeldung ist ein notwendiger Teil davon.