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Landes-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat die Errichtung der Pflegekammer NRW mit auf den Weg gebracht. Im Interview blickt er zurück und spricht über seine Erwartungen.

Herr Minister Laumann, im Sommer 2020 hat der nordrhein-westfälische Landtag die Pflegekammer im Heilberufsgesetz verankert. Dies geschah auf Ihre Initiative hin. Was war Ihre Intention?

Wenn über Pflege gesprochen und entschieden wird, sitzen viele Berufsgruppen mit am Tisch – die Pflege selbst oft aber nicht. Dabei braucht die Profession Pflege endlich eine starke Stimme in unserem Gesundheits- und Pflegewesen. Ziel der Landesregierung ist, dass die Pflege ihre Angelegenheiten in eigener Zuständigkeit regelt und an allen sie betreffenden fachpolitischen Verhandlungen und Entscheidungen beteiligt ist. Die Errichtung der Pflegekammer ist ein wichtiges Anliegen vieler Pflegekräfte hier in Nordrhein-Westfalen, die sich seit Jahren für eine berufsständische Vertretung eingesetzt haben.

Mittlerweile sind gut zwei Jahre ins Land gezogen. Die Pandemie hat auch die Gründung der Kammer beeinflusst. Der Landtag hat die Wahl zur Kammerversammlung verschoben. Was war die Idee dahinter?

Die Arbeit des Errichtungsausschusses war im Jahr 2021 durch die Corona-Pandemie deutlich erschwert. Die Pflegefachkräfte arbeiteten damals mitten in der vierten Infektionswelle an ihrer Belastungsgrenze. Sie sollten mehr Zeit haben, sich mit der Pflegekammer, der Aufstellung von Listen und allem, was noch damit einhergeht, zu beschäftigen. Das Gesetz zur Errichtung der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen wurde geändert. Zum einen wurden die zeitlichen Rahmenbedingungen erweitert, damit der Errichtungsausschuss die Möglichkeit erhält, seine Aufgaben unter den anhaltend schwierigen Bedingungen sorgfältig wahrnehmen und die Pflegefachkräfte möglichst umfassend informieren zu können.
Zum anderen wurde die Kritik der Pflegefachkräfte aufgenommen und die Pfegekammer von der Pflicht, einen Mitgliedsbeitrag zu erheben, bis Ende Juli 2027 freigestellt.

Fast 100 000 Pflegefachpersonen haben durch rechtzeitige Registrierung ihr Wahlrecht erlangt. Das ist eine beeindruckende Zahl. Ihr politisches Ziel war, dass mindestens die Hälfte der rund 200 000 Pflegefachpersonen wählt. Wie bewerten Sie die Registrierungszahl aus heutiger Sicht?

Je mehr Personen sich organisieren und sich zusammenschließen, desto wirkungsvoller können sie ihre Interessen vertreten. Und so auch selbstbewusst für ihre Anliegen eintreten. Dass um die 100 000 Pflegefachpersonen in der Pflegekammer registriert sind, ist eine solide Basis. Mehr wären natürlich auch nicht schlecht.

Es gibt in den Reihen der Pflegefachpersonen nicht nur Kammer-Befürworter. Dies hat sich besonders im Vorfeld der Wahlen gezeigt. Was sagen Sie diesen Menschen?

Die Kritik nehme ich ernst. Daher tausche ich mich mit diesen Menschen auch persönlich aus, höre ihnen zu und stelle meinen Standpunkt dar. Mangelndes politisches Mitspracherecht und damit einhergehende Fremdbestimmung können nicht gewollt sein. Das sind Herausforderungen im Berufsfeld der Pflege, die angegangen werden müssen. Und es gibt noch viele andere. Die Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen ist dafür da, sich für die beruflichen Angelegenheiten von Pflegefachpersonen einzusetzen und ist in entscheidenden Gremien und Landesausschüssen vertreten und hat so die Möglichkeit, Veränderungen in der Pflege herbeizuführen.

„Die Pflege braucht endlich eine starke Stimme“

Der 38-köpfige Errichtungsausschuss hat die Gründung der Kammer vorangetrieben, die Wahl organisiert, vielfältige Kontakte in Gesellschaft und Politik geknüpft und bereits erste wichtige Grundlagen für die Arbeit der zukünftigen Kammerversammlung gelegt. Wie bewerten Sie die Arbeit des Errichtungsausschusses? Wie lief die Zusammenarbeit bisher?

Ich habe die Mitglieder als engagierte Personen kennengelernt, die etwas bewegen wollen. Sie hatten viele und schwierige Aufgaben zu meistern. Über 200.000 Pflegekräfte zu erreichen und ihnen die Ziele der Pflegekammer zu erklären, klingt einfacher, als es ist. Für das Engagement möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Der Austausch war stets konstruktiv und gewinnbringend. Darüber freue ich mich sehr.

Das vorläufige Wahlergebnis steht seit Kurzem fest. Was wünschen Sie den gewählten Vertreterinnen und Vertretern der neuen Kammerversammlung?

Ich möchte allen gewählten Vertreterinnen und Vertretern erst mal ganz herzlich gratulieren. Wir haben jetzt eine berufsständische Vertretung, die durch die erste Kammerwahl legitimiert ist. Das ist ein wichtiger Meilenstein.
Für die gewählten Vertreterinnen und Vertreter beginnt nun eine ganz wichtige Zeit, denn sie müssen den Aufbau der Pflegekammer weiter vorantreiben und gleichzeitig die inhaltliche Arbeit umsetzen.
Ich wünsche den Vertreterinnen und Vertretern viel Geschick und Ausdauer für die Arbeit, dass jeder Einzelne seinen Sachverstand und seine Erfahrung gewinnbringend einbringen kann und dadurch die Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen einen guten Start hat. Für alle Aufgaben wünsche ich natürlich viel Erfolg.

Im Dezember tritt die gewählte Kammerversammlung zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Was sind Ihre Erwartungen für die kommenden zwei Jahre?

Es ist besonders wichtig, in den ersten zwei Jahren die größtmögliche Akzeptanz bei den Pflegekräften zu erreichen und die Registrierung abzuschließen. Hier müssen sicherlich auch zukünftig die Pflegefachkräfte weiter und umfassend informiert werden. Zentral wird zudem sein, deutlich zu machen, wo die Pflege jetzt überall mitreden und entscheiden kann und dass die von den Pflegenden gewählten Vertreterinnen und Vertreter für die Berufsgruppe gute Regelungen treffen. Gerade auch die kleineren Berufsgruppen in der Pflegekammer müssen Gehör finden, und ihre spezielle Situation muss beachtet werden. Mir ist wichtig, dass die erste Kammerversammlung hier schon die richtigen Weichen stellt und dafür sorgt, dass die unterschiedlichen pflegerischen Versorgungsbereiche nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das fördert auch die Akzeptanz in der Berufsgruppe – und sorgt dafür, dass die Pflegefachkräfte als große Einheit auftreten können. Durch die unterschiedlichen Berufsbiografien, die jetzt in der Kammerversammlung zusammenkommen, wünsche ich mir einen regen Austausch und dadurch einen zielgerichteten weiteren Aufbauprozess der Pflegekammer.

Welche Erwartungen haben Sie an die Kammer auf lange Sicht, und mit welchen Herausforderungen wird sie konfrontiert werden?

Mein Ziel als Gesundheitsminister war und ist: die Pflege zu stärken. Die Zeiten, in denen die Pflege nur vom Katzentisch aus über ihre eigenen Belange mitberaten durfte, gehören mit der Pflegekammer endlich der Vergangenheit an. Die Pflegekammer kann nun wesentliche Bereiche der Weiterentwicklung von Pflege, wie die Berufs- oder die Weiterbildungsordnung, selbst gestalten. Endlich entscheidet also die eigene Profession über Inhalte und Schwerpunkte. Diese Unabhängigkeit ist eine Chance für die Pflege, aber gleichzeitig auch eine Herausforderung.
Meine Erwartung ist, dass es die Pflege auf lange Sicht schafft, sich auf Augenhöhe mit anderen Professionen des Gesundheitswesens zu etablieren, und die Bedingungen in der Pflege so mit verändert, wie es sich die Pflegekräfte wünschen.

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